veröffentlicht am 12.02.2024 von Katha

So haben wir unsere Werte definiert

Die Gründung einer eigenen Firma führt bei Menschen zu ganz unterschiedlichen Assoziationen. Ein Begriff fiel aber in so ziemlich jedem Gespräch, das wir damals rund um die Gründung von heartcoded software geführt haben: Mut.

„Den Mut hätte ich nicht.“ Dieser Satz meines Gegenübers brachte mich zum Nachdenken - ich selbst würde mich nämlich ganz und gar nicht als mutigen Menschen beschreiben. Und doch fühlte sich plötzlich nur noch dieser eine Weg richtig an. Wie kann das sein? Passt das überhaupt zu mir? Ich, Kontrollfreak seit der Einschulung, möchte mich plötzlich nach Jahren im kuscheligen Konzern freiwillig all den Unsicherheiten stellen, die eine eigene Firma mit sich bringt? Bin ich nun vollkommen verrückt geworden? Um zu verstehen, was mich zur Selbstständigkeit zieht, habe ich mich damals zum ersten Mal mit dem Thema Werte befasst und dadurch einige Antworten gefunden.

Zirka ein Jahr später, die Firma war gegründet und aus dem Gröbsten raus, war es an der Zeit, all die weingeschwängerten Balkongespräche über unsere Visionen und Träume in ein Unternehmensleitbild zu gießen. Als Basis für Vision, Mission und Strategie sollten auch hier die Werte dienen, auf denen wir heartcoded software aufbauen möchten.

Gründungsmotivation und persönliche Werte als Vorbereitung

Wir haben uns also einen halben Tag geblockt, um mittels Werten das Fundament unseres Unternehmensleitbildes zu bestimmen. Als Vorbereitung für die Wertediskussion erschien mir auch ein Blick in die Vergangenheit sinnvoll: So hatten wir bereits vor der Gründung ausgiebig über unsere kurz- und langfristigen Ziele gesprochen. Also haben wir die Fotodokumentation dieser Termine rund um unsere Gründungsmotivation ausgegraben.

Festgehalten haben wir damals Ziele für die eigene Produktentwicklung, das Arbeitsumfeld, was wir schaffen wollen, sowie persönliche Ziele. Zusammengefasst bedeutete das für uns:

  • Build products people love (man kann es einfach nicht besser ausdrücken als der alte Mind the Product Sticker an meiner Pinnwand);
  • Ein gesundes Arbeitsumfeld schaffen, in dem respektvoll mit den individuellen Bedürfnissen aller Teammitglieder umgegangen wird;
  • Eigene Entscheidungen treffen und dabei finanzielle Stabilität gewährleisten.

Zusätzlich war noch etwas Vorarbeit von Antonius gefragt: Weil unsere Firma bis zu diesem Zeitpunkt aus genau zwei Personen bestand, sollte auch er sich vorab etwas intensiver mit seinen persönlichen Werten befassen. Sowas muss gar nicht lang dauern, denn dafür gibt es zum Beispiel einen kostenlosen Onlinetest von Ein guter Plan. Grundsätzlich sehr simpel, kann einen die Beschäftigung mit den eigenen Werten aber auch schnell in existenzielle Krisen stürzen, wenn man sich zwischen Dingen wie „Ehrlichkeit“, „Leidenschaft“ und „Gesundheit“ entscheiden muss.

Screenshot einer Slack-Unterhaltung zwischen Antonius und Katha zum Thema persönliche Werte

Firmenwerte als Fundament des Unternehmensleitbilds

Nachdem wir also unser Gedächtnis in Sachen Ziele aufgefrischt und ausgiebig über unsere persönlichen Werte diskutiert hatten, gingen wir zirka 80 Klebezettel durch, auf denen Adjektive wie „neugierig“, „mutig“ oder „offen“ standen. Für den Workshop habe ich mich gegen Substantive entschieden, weil ich vorab gelesen hatte, dass Adjektive emotional leichter zugänglich sein sollen. Das ist aber sicherlich Geschmackssache.

Erfahrungsgemäß ergibt es Sinn, so viele Zettel wie möglich zu eliminieren, weil jeglicher Fokus eine präzise Ausformulierung am Ende erleichtert. Folgende vier Schritte haben sich bei der Bestimmung unserer Werte als zielführend erwiesen:

  1. Vorauswahl

    Als erstes haben wir das Pferd von hinten aufgezäumt und die Begriffe eliminiert, die am wenigsten gepasst haben. Schon das war nicht ganz so einfach, weil natürlich nur positiv konnotierte Werte auf den Klebezetteln standen. Bei uns sind dann Begriffe wie „einzigartig“ und „pragmatisch“ rausgeflogen.

  2. Feinauswahl

    Danach kamen alle Begriffe, die wir als elementar empfanden, in die nächste Runde. Kleiner Hinweis am Rande: Wenn sich niemand für die Moderationsrolle findet, muss man sich spätestens an dieser Stelle selbst bremsen. Bestenfalls hat man bereits zu Beginn des Workshops Timeslots definiert, damit man am Ende nicht stundenlang über die Unterschiede von Adjektiven wie „freudig“, „fröhlich“ und „spaßig“ diskutiert.

  3. Clusterbildung

    Wir hatten keine Zielvorgabe, wie viele Begriffe am Ende übrig sein sollten - wichtig war nur, dass wir drei bis maximal sieben stimmige Cluster bilden. Was sich allerdings schwieriger gestaltete als erwartet, war das Finden von Überschriften für die Cluster. Aus diesem Grund haben wir an diesem Punkt noch eine schnelle Abstimmung eingeschoben, um den jeweils wichtigsten Begriff eines Clusters zu finden und uns so den Überschriften genähert.

  4. Ausformulierung

    Weil es nichts Schlimmeres gibt, als etwas gemeinsam formulieren zu müssen, habe ich mich am nächsten Arbeitstag an die Ausformulierung gesetzt, die wir dann gemeinsam verfeinert haben - und zack - Version 1 unserer Werte ist fertig und auf unserer Website zu finden.

Klebezettel Cluster der heartcoded Werte

Und wobei helfen die Werte in der alltäglichen Arbeit?

Mit den Werten haben wir die Basis für unser Unternehmensleitbild geschaffen, an dem wir einerseits Entscheidungen ausrichten und mittels dessen sich andererseits künftige Bewerber:innen orientieren können: So werden wir bei heartcoded software sehr genau auf einen empathischen Umgang im Team achten und Authentizität mehr zu schätzen wissen, als es in anderen professionellen Kontexten vielleicht der Fall ist. Wir werden wahrscheinlich niemals ein Produkt bauen, was uns zwar lukrativ erscheint, aber keine Begeisterung in uns weckt. Wir werden unsere Verantwortung ernst nehmen und auch mal Projekte absagen, wenn sie nicht entsprechend unserer Qualitätsstandards umsetzbar sind.

Wichtig ist wie so oft, dass diese Beschreibungen nicht irgendwo in der Schublade verschwinden, sondern gelebt und immer wieder reflektiert werden. Wertvorstellungen verändern sich - dies gilt für die persönlichen Werte genauso wie für die einer Firma. Gerade fühlt sich jeder einzelne der ausformulierten Sätze wie die Quintessenz von heartcoded software an. Wahrscheinlich sieht das aber in ein, zwei Jahren wieder anders aus und wir werden merken, dass wir uns als Menschen und Firma weiterentwickelt haben und die Formulierungen dementsprechend anpassen müssen.

Unser Arbeitstitel für die Selbstständigkeit war immer „Journey into the Unknown“ und genau das beschreibt es eigentlich sehr gut - wir befinden uns auf einer Reise ins Ungewisse und das macht einen großen Teil des Reizes aus. Auf der anderen Seite ist all diese Freiheit aber auch manchmal überwältigend und dabei kann ein Unternehmensleitbild etwas Halt geben: Während Vision und Mission auf dieser Reise als Kompass dienen, sehen wir die Werte als Basis für unsere Fortbewegung an. So könnte man die Werte mit einem Transportmittel vergleichen - man kommt sicherlich auch ohne ans Ziel, aber wahrscheinlich dauert die Reise dann auch länger und ist beschwerlicher.

Das Transportmittel, was mich persönlich in die Selbstständigkeit geführt hat, war übrigens der Wert Selbstbestimmung. Was ich erst durch die Beschäftigung mit diesem Thema verstanden habe: Wenn Selbstbestimmung der beherrschende Wert ist, braucht es keinen Mut. Nur ein wenig Selbstvertrauen und die richtigen Menschen an seiner Seite.