veröffentlicht am 12.02.2024 von Antonius

Empathische Führungspersonen und wie man sie rekrutiert

Dies ist der erste Teil einer Artikelreihe, die sich einem oft unterschätzten Thema im Bereich der Führungskräfte widmet: Empathie. Nicht nur in unseren heartcoded Werten spielt Empathie eine zentrale Rolle, sondern sie bildet auch unserer Überzeugung nach einen Grundpfeiler für gut funktionierende Teams.

Die Artikel spiegeln hauptsächlich unsere Meinungen wider, die auf langjähriger Erfahrung im Bereich der Softwareentwicklung basieren. Bestimmte Thesen oder Begriffe sind zwar durch Belege gestützt, es besteht jedoch kein Anspruch auf vollständige wissenschaftliche Beweiskraft.

Teil 1: Warum ist Empathie bei Führungspersonen wichtig?


Was bedeutet Empathie?

Empathie ist die Fähigkeit, die Gefühle anderer Menschen zu erkennen, zu verstehen und darauf eingehen zu können.

Die Ausprägung von Empathie variiert bei jedem Menschen und ist weder grundsätzlich positiv noch negativ. Tatsächlich ist das Einfühlungsvermögen gegenüber anderen Menschen sogar erlernbar. Im Führungskontext wird allerdings eher selten über Empathie geredet, erfahrungsgemäß konzentriert man sich oft auf quantitative Ergebnisse oder andere rationale Faktoren und Kennzahlen. Im ersten Teil unserer Reihe wollen wir zeigen, warum empathische Führungskräfte aus unserer Sicht zu den wichtigsten Elementen nachhaltiger Softwareentwicklung im Sinne eines langfristig erfolgreichen Teams gehören.

Psychologische Sicherheit als Basis für performante Teams

Die Leistung eines Teams lässt sich durch diverse Kennzahlen messen. Im Bereich der Softwareentwicklung sind das beispielsweise die Velocity, die Erreichung von Sprintzielen, die Stabilität des Betriebs oder die Häufigkeit von Incidents.

Oft sind diese Kennzahlen lediglich offensichtliche Auswirkungen von tiefer liegenden Faktoren in der Teamstruktur. Einer dieser Faktoren, und eine entscheidende Voraussetzung für gut funktionierende Teams, ist psychologische Sicherheit – die gemeinsame Überzeugung, dass Risiken innerhalb eines Teams ohne negative Konsequenzen eingegangen werden können. Um diese Sicherheit zu gewährleisten, ist zwischenmenschliches Vertrauen entscheidend, und hierbei spielt Empathie eine Schlüsselrolle.

Insbesondere im agilen Kontext müssen Teams ständig weiterentwickelt werden. Ein wesentlicher Aspekt dabei ist das Lernen aus Fehlern. Ohne psychologische Sicherheit gibt es keine Fehlerkultur, und ohne Fehlerkultur gibt es kein effektives Lernen. Damit verbunden ist auch das mögliche Auftreten von Konflikten und deren Management oder Prävention.

Warum empathische Menschen oft besser im Konfliktmanagement sind

In jeder Gruppe treten kleinere und größere Konflikte auf. Eine wichtige Aufgabe von Führungspersonen ist es, Konflikte frühzeitig zu erkennen und im besten Fall aufzulösen oder gar nicht erst entstehen zu lassen. Oft drehen sich Konflikte um niedrigschwellige Gefühle, die durch problematische Kommunikation verletzt werden, wie Stolz, Herabsetzung oder das Gefühl, unfair behandelt zu werden.

Empathische Führungspersonen haben hier einen entscheidenden Vorteil: Es ist einfacher, einen Konflikt zu deeskalieren, wenn man die Gefühle, Gedanken und Motivationen der Teammitglieder kennt, versteht und schätzt. Zudem haben die verschiedenen Persönlichkeiten, Tagesformen und individuellen Erlebnisse der Teammitglieder einen direkten Einfluss darauf, wie sie miteinander umgehen. Empathische Führungspersonen sind sich dieser Tatsache in der Regel bewusst und nutzen beispielsweise Active Listening, um Aussagen besser zu verstehen, einzuordnen und auf eine neutrale Ebene zu bringen.

Eine der wichtigsten Regeln im Konfliktmanagement besagt: Wenn ein Teammitglied einen Fehler gemacht hat, sollte die Diskussion immer auf die Sache selbst fokussiert sein. Das Zuweisen von Schuld führt schnell dazu, dass Fehler verschwiegen werden. Zudem sind Fehler oft ein Indikator für einen nicht ausreichend robusten Prozess. Ein transparenter und reflektierter Umgang mit Problemen ist entscheidend für den Aufbau von Vertrauen im Team. Auch das Gespür dafür, wann Konflikte besser in einem persönlichen Gespräch reflektiert werden sollten, ist wichtig. Es geht also um eine Balance, die kommunikatives Feingefühl erfordert, was empathischen Menschen in der Regel leichter fällt.

Betrachten wir folgendes Szenario: In einem Team gibt es mehrere Entwickler:innen, darunter Alice und Bob. Alice fordert Bob in einem morgendlichen Daily auf, eine Aufgabe schnellstmöglich abzuschließen. Ihre Kommunikation ist sehr direkt und pragmatisch. Bob mag diese Art der Kommunikation nicht besonders, reagiert etwas irritiert, gibt jedoch letztendlich eine positive Rückmeldung. Wenn sich Vorkommnisse dieser Art häufen, kann aus einer harmlos wirkenden Situation ein nachhaltiger Konflikt oder auf lange Sicht sogar ein gegenseitiges Ablehnen entstehen. Hier kann ein kleiner kommunikativer Eingriff einer Führungsperson oder eines Teammitglieds Wunder wirken:
“Alice, du möchtest, dass diese Sache schnellstmöglich fertiggestellt wird – gibt es dafür einen bestimmten Grund?” Schon allein das gegenseitige Verständnis der Motivation bzw. Motive hinter einzelnen Aussagen kann oft einen Konflikt abwenden. Wenn dies nicht ausreicht, können Einzelgespräche zur Reflektion der Situation hilfreich sein. Auch hier sollte es nicht um Vorwürfe gehen, sondern um die Frage, wie man im Team effektiver kommunizieren oder besser auf andere Persönlichkeiten und Bedürfnisse eingehen kann.

Wie empathische Führungskräfte auf eine stabile und nachhaltige Softwareentwicklung einzahlen

Softwareentwicklungsprojekte sind teuer, langwierig und scheitern oft. Neben einer klaren Vision des Produkts und einem guten Produktmanagement ist vor allem ein stabiles und gut funktionierendes Entwicklungsteam entscheidend für den Erfolg des Projekts.

Der wohl wichtigste Faktor für Teamstabilität ist eine geringe Fluktuation, die in vielen Fällen direkt von der Führungskraft beeinflusst werden kann. Aber warum ist es so wichtig, die Fluktuation gering zu halten? Es ist so offensichtlich wie unvermeidbar: Wenn ein Teammitglied das Unternehmen verlässt, spaziert mit ihm all das Wissen aus der Tür hinaus, was so zeitintensiv vermittelt und erarbeitet wurde. Darüber hinaus kann der Verlust eines Teammitglieds die Stimmung und Motivation im Team negativ beeinträchtigen. Schlimmstenfalls resultiert die Kündigung eines Teammitglieds in einer Kündigungswelle. Wenn dann ein neues Teammitglied eingestellt wird, muss dieses zunächst wieder eingearbeitet, in die Gruppe integriert und neues Vertrauen hergestellt werden. Insbesondere im Bereich Softwareentwicklung ist die Einarbeitung ein vergleichsweiser zeitintensiver Prozess. Währenddessen sinkt die Gesamtperformance des Teams und auch einfache Aufgaben müssen vermehrt von erfahrenen Teammitgliedern übernommen werden.

Nach eigener Erfahrung gibt es folgende individuelle Faktoren, die helfen können, die Fluktuation im Team gering zu halten und somit auf eine stabile und nachhaltige Softwareentwicklung einzahlen:

  • Spaß bei der Arbeit
  • Sinnhaftigkeit der Tätigkeit
  • Wertschätzung durch Kolleg:innen und Vorgesetzte
  • Angemessene Bezahlung
  • Richtiger Druck (sehr individuell, nicht zu viel, nicht zu wenig)
  • Passende Position nach Talent, Interesse und Erfahrung
  • Integration in Team und Unternehmen
  • Beziehung zu Kolleg:innen, insbesondere zur direkten Führungsperson
  • Möglichkeiten der Weiterentwicklung

Je erprobter und empathischer die Führungsperson ist, desto einfacher wird sie sich in Einzelgesprächen ein Bild dieser Faktoren machen können. Voraussetzung ist natürlich, dass bereits ein gewisses Vertrauen aufgebaut wurde – denn wenn sich das Gegenüber nicht öffnet, kann auch eine noch so empathische Führungskraft kaum die richtigen Schlüsse ziehen.

Grundsätzlich kommt es bei vielen dieser Punkte aber auch darauf an, inwieweit sich die Situation ändern lässt (z.B. das Gehalt), aber selbst bei nicht verhandelbaren Parametern macht es einen riesigen Unterschied, wie transparent kommuniziert wird und wie sich die Führungsperson für die Belange des Teammitglieds einsetzt.

Fazit

Abschließend lässt sich festhalten, dass die Bedeutung empathischer Führungskräfte für den langfristigen Erfolg von Teams entscheidend ist. Sie schaffen eine Umgebung der psychologischen Sicherheit, in der wertschätzende Teamkultur und Zusammenarbeit gedeihen können. Die Reduzierung von Konflikten und eine geringe Fluktuation sind direkte Ergebnisse dieser empathischen Führung. Teams, die von empathischen Führungspersonen geleitet werden, zeigen nicht nur eine höhere Leistungsfähigkeit, sondern auch eine nachhaltige Zusammenarbeit.

Es liegt nahe, dass insbesondere beim Rekrutieren neuer Führungskräfte Empathie eine wichtige Rolle spielen sollte. Wie man diese Personen im Rekrutierungsprozess erkennt und wie ein solcher Prozess aussehen kann, gibt es im zweiten Teil der Reihe zu lesen.